Schon frühzeitig war sich der Mensch bewusst, dass er mit zwei Augen auch in der Tiefe wahrnehmen kann und beim Sehen mit nur einem Auge dies nicht in gleicher Weise der Fall ist. Bekannt ist, dass etwa 280 Jahre vor Christus der Mathematiker Euklid sich dieser Tatsache bewusst wurde. Eine genaue Beschreibung über das räumliche Sehen gab im 2. Jahrhundert
n. Chr. Claudius Galen (Abb. 1). Aufgrund seiner genauen und richtigen Darlegung kann man ihn als Entdecker des räumlichen Sehens betrachten. Auch Leonardo da Vinci und andere
Abb.2: Charles Wheatstone
beschäftigten sich später mit dem räumlichen Sehen. Ihre Aufmerksamkeit beschränkte sich aber lediglich auf das räumliche Sehen des Menschen in seiner Umgebung.
Erst der englische Physiker Sir Charles Wheatstone (Abb. 2) zog den Schluss, dass die zwei unterschiedlichen Teilbilder, die beim freien räumlichen Sehen in jedem Auge erzeugt werden, auch künstlich hergestellt werden können und getrennt jedem Auge zugeführt einen räumlichen Seheindruck ergibt. Er erfand auch ein Stereoskop (das nach ihm benannte Wheatstonesche Spiegelstereoskop) womit dies geschehen konnte. Aus seinen Erkenntnissen leitete er die Querdisparation, welche identische Stellen in den beiden Halbbildern zueinander aufweisen und in der Stereofotografie als Deviation bezeichnet werden, ab. Diese Erkenntnisse sind Grundlage der geometrischen Zusammenhänge in der Stereoskopie. Er kann somit als Erfinder der Stereoskopie, auch dieser Ausdruck stammt von ihm, bezeichnet werden. Seine Entdeckung stellte er am 21. Juni 1833 der Royal Society in London vor. Da aber zu diesem Zeitpunkt die Fotografie noch gar nicht erfunden war, konnte er seine zwei Teilbilder nur auf zeichnerischem Wege herstellen.
1849 regte der englische Physiker David Brewster (Abb. 3) an, die inzwischen erfundene Fotografie auch in der Stereoskopie anzuwenden. Er konstruierte eine entsprechende Stereokamera und ein Linsenstereoskop dazu und kann daher als Erfinder der Stereofotografie bezeichnet werden. In den darauffolgenden Jahren beschäftigte man sich mit recht großer Begeisterung mit der Stereofotografie.
Um die Natürlichkeit dieser ersten Stereofotografien noch zu steigern, wurden sie oft handkoloriert. Dies musste auf beiden Halbbildern völlig identisch erfolgen, da bei der stereoskopischen Betrachtung und durch die vergrößernde Wirkung der Linsen im Stereoskop alle Ungenauigkeiten sehr störend wirken. Es wurde daher höchstes handwerkliches Können von den ausführenden Personen gefordert. Diese Genauigkeiten waren aber nicht bei allen kolorierten Stereobildern gegeben und es gab somit auch viele weniger schöne Zeugen dieser Zeit. Gute Arbeiten überzeugten aber durch ihre hervorragende Qualität.
Abb.3: David Brewster
Auch andere Techniken zur Steigerung der Natürlichkeit wurden angewandt. So kratzte man z.B. bei Daguerreotypien an bestimmten Stellen, wie z.B. den Stein eines Ringes, vorsichtig die oberste Schicht ab, sodass die darunterliegende Kupferschicht zum Vorschein kam. Somit erreichte man einen besonderen Glanz dieses Steines im Stereobild. In der darauffolgenden Zeit gab es Stereobilder auf transparentem Papier, welche von hinten koloriert wurden und bei Motiven wie Kronleuchter oder Straßenlaternen wurden auf beiden Halbbildern die leuchtende Stelle durchstochen. Bei der Betrachtung dieser Bilder im Auf- und Gegenlicht scheinen diese Stellen zu leuchten und die durchscheinende Kolorierung wirkt ebenfalls sehr beeindruckend.
1853 entwickelte der deutsche Willhelm Rollmann und 1858 der Franzose J. Ch. d'Almeida unabhängig voneinander das Anaglyphen-Verfahren. Damit war es möglich geworden, die Stereobilder nicht nur im Stereoskop zu betrachten, sondern auch zu projizieren.
Da die meisten Stereoaufnahmen aber nicht mit einer Stereokamera aufgenommen wurden, sondern entweder mit einer Monokamera, die für beide Aufnahmen verschoben wurde, oder mit zwei Monokameras, die beide Aufnahmen gleichzeitig machte, wurde oft eine zu große Basis gewählt. Man befand sich in einem regelrechten Rausch der Tiefe. Da diese Bilder aber oft Schwierigkeiten bei der Betrachtung bereiteten, verblasste sehr bald das Interesse an der Stereofotografie.
Abb.4: Holmes-Stereoskop
Durch die ständige Vereinfachung der Fototechnik und insbesondere durch die Erfindung der Trockenplatte, auch die anfänglichen Fehler wurden nicht mehr in dem Maße gemacht, lebte die Stereofotografie etwa ab den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts wieder auf. Es kam sogar zu einem regelrechten Boom. Vornehmlich in den USA gab es zu dieser Zeit kaum einen Haushalt, in dem kein Stereoskop stand. Sehr verbreitet war zu dieser Zeit das sogenannte Holmes-Stereoskop (siehe Abb. 4)
Durch das Aufkommen neuer Medien wie z.B. dem Kino-Film ging Anfang des 20, Jahrhunderts das Interesse an der Stereoskopie allmählich wieder zurück.
Zwar wurde das neue Medium Film auch in der Stereoskopie angewandt, kam aber nicht aus dem Versuchsstadium heraus.
Bereits 1890 machte der Filmpionier William Friese-Green erste stereoskopische Filmaufnahmen im Hyde Park und 1903 stellten die Gebrüder Lumiere zur Weltausstellung in Paris dreidimensionale Kurzfilme vor, welche aber nicht projiziert, sondern in einem Betrachter anzusehen waren.
Ebenfalls in dieser Zeit kam in Deutschland das Kaiserpanorama auf, welches sich bis in die 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts halten konnte. Bei diesem Kaiserpanorama konnten ca. 25 Personen gleichzeitig stereoskopische Bildzyklen betrachten.
Wenn das allgemeine Interesse an der Stereoskopie auch immer wieder verblasste, so gab es doch zu jeder Zeit einen Kreis von begeisterten Liebhabern, die auf diesem Gebiet sehr aktiv blieben und sich organisierten. So wurde in Deutschland im Jahre 1928 die "Deutsche Gesellschaft für Stereoskopie" (DGS) gegründet.
Auch dadurch, dass sich Kamerahersteller wie die Firmen Franke & Heidecke, Voigtländer oder Zeiss-Ikon der Stereofotografie annahmen und Stereokameras auf den Markt brachte, kam es zu einem leichten Aufblühen auf diesem Gebiet.
So kam es besonders Ende der 30er Jahre des vorigen Jahrhunderts zu einer stärkeren Belebung der Stereoskopie. Diese Entwicklung wurde aber durch den 2. Weltkrieg wieder unterbrochen. Erst mit der leichten wirtschaftlichen Stabilisierung in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts kam es zu einer neuen Belebung der Stereoskopie. Sie erreichte sogar eine neue Blütezeit. Durch das aufkommende Fernsehen versuchte das Kino durch neue Techniken die Zuschauer anzuziehen. Somit kamen in dieser Zeit verstärkt 3-D Filme in die Kinos. Diese
Abb.5: Stereo-Realist
Filme wurden im Zweibandverfahren gezeigt. D.h. die beiden Halbbilder waren auf zwei Filmstreifen angeordnet und wurden getrennt durch zwei Einzelprojektoren, die untereinander gekoppelt waren, vorgeführt. Trotz der Kopplung kam es, z.B. nach einem Filmriss, zur Verschiebung der beiden Halbbilder auf den beiden Filmstreifen. Dies führte natürlich zu erheblichen Störungen und damit auch zum Rückgang des Interesses am 3-D Film.
Ebenfalls wurde zu dieser Zeit eine Menge von Kleinbild-Stereokameras entwickelt und auf dem Markt gebracht. Als Beispiel sollen hier nur die sehr weit verbreitete amerikanische "Stereo Realist" mit dem Halbbildformat 24 x 23 mm2 und die in der DDR gebaute "Belplasca" mit dem Halbbildformat 24 x 30 mm2, welche als komplettes System mit Projektor und speziellen Rähmchen, mit denen die Stereo-Diamontage wesentlich erleichtert wurden, genannt werden. Begünstigt wurde diese Entwicklung dadurch, dass zu dieser Zeit der Farbdiafilm überall erhältlich war.
Abb.6: Belplasca-System
Doch bereits in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts klang das allgemeine Interesse an der Stereofotografie wieder ab. Da die Industrie immer größere Stückzahlen von hochwertigen Kleinbildkameras baute, konnte mit den kleinen Absatzzahlen, welche mit Stereogeräten erzielt wurden, kein Gewinn gemacht werden und man stellte die Produktion weltweit ein.
Wieder fristete die Stereofotografie ein Schattendasein und wurde nur von wenigen begeisterten Anhängern dieses Mediums gepflegt. Diesen gelang es ab Ende des 20. Jahrhunderts, die Stereofotografie wieder etwas populärer zu machen. 1975 gründeten mehrere stereoskopische Landesverbände eine internationale Organisation, die "International Stereoscipic Union" (ISU). Diese führt im zweijährigen Rhythmus internationale Kongresse durch. In Deutschland wird jährlich ein Raumbildtag von der Deutschen Gesellschaft für Stereoskopie e.V. organisiert, welcher auch von den Nachbarstaaten sehr rege genutzt wird. Dies sind nur einige von vielen Aktivitäten, die von den Stereoorganisationen auf der ganzen Welt organisiert werden. Ebenfalls in dieser Zeit wurde in Deutschland die Firma RBT gegründet, welche die ganze Welt mit hochwertigen Stereogeräten beliefert.
Ein weiterer Impuls zur Verbreitung der Stereoskopie ist durch die Computertechnik gegeben. Es dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein, bis auf jeden Computertisch ein 3D-Bildschirm steht. Entsprechende Entwicklungen werden z.B. vom Heinrich-Herz-Institut betrieben. Wenn es so weit ist, dürfte auch der Wunsch nach einer digitalen Stereokamera wach werden. Dass ein Interesse an 3-D vorhanden ist, haben die letzten Jahre der Entwicklung auf dem Gebiet der Computertechnik gezeigt. Dabei handelt es sich nicht bei allen Geräten mit der Bezeichnung 3D um echte 3D-Geräte und wenn es dann sogar um 4D oder 5D geht, beginnt man völlig zu zweifeln. Dennoch kann gesagt werden, dass etwa 80 % dieser Geräte echte 3D-Geräte sind. Es fehlt eigentlich nur noch am entsprechenden Ausgabegerät, dem Bildschirm. Warten wir also ab, was uns die Zukunft bringt.