Von der Platte zum Film



Inhalt

0. Einführung
1. Erfindung und Entwicklung der Fotoplatte
2. Farbplatten
2.1. Kornrasterplatten nach Lumière
2.2. Kolorieren fürs Kaiserpanorama
3. Plattenformate
4. In der Dunkelkammer
5. Vor- und Nachteile von Fotoplatten
6. Kameratechnik für Fotoplatten
7. Planfilm – eine Zwischenlösung
8. Erfindung und Entwicklung des Films
9. Auch der Film wurde farbig
10. Kameratechnik für Film
10.1. Kameras mit Filmrückteil
10.2. Kameras für den Rollfilm
10.3. Kameras für den Kleinbildfilm (Kine-Film)
11. Vor- und Nachteile des Films
12. Schlussbemerkungen
Quellennachweis

0. Einführung

Die Fotografie ist in geradezu rasantem Tempo allgegenwärtig geworden.
Zum einen begegnen wir in unserem gesellschaftlichen Alltagsleben seit langem überall Fotos. Wir sehen sie auf Plakaten, in Zeitungen und Illustrierten, auf dem Computer, dem Tablett oder dem Smartphone. Sowohl der öffentliche als auch der private Bereich sind von Fotos durchsetzt. Das ständige Betrachten von Bildern ist uns zur Selbstverständlichkeit geworden.
Zum anderen, und dies ist ein neues Phänomen, ist auch das Fotografieren selbst allgegenwärtig geworden. Seit der Erfindung der Digitalfotografie und insbesondere seit der Verbreitung des Fotografierens mit dem Smartphone, scheint mittlerweile jedermann zu fotografieren und dies überall auf der Welt. Es wird geschätzt, dass täglich weltweit etwa 1,8 Milliarden Fotos aufs Internet geladen werden, also über 20.000 pro Sekunde.
Bis dieser Entwicklungsstand erreicht wurde, war es jedoch ein langer Weg.

Die analoge Fotografie baut sich aus vielen Fachgebiete auf: Optik, Mechanik, Chemie und auch die Kunstwissenschaft fließen in die Fotografie ein. Die verschiedenen Technologien beeinflussen sich gegenseitig. Kürzere Belichtungszeiten erreichte man z.B. durch Fortschritte bei der Optik und der Chemie, durch lichtstärkere Optik und empfindlichere Emulsionen. Dies wiederum erschloss der Fotografie neue Motivgebiete.
Die Erfindungen von Ende des 19. Jahrhunderts führten zur industriellen Fertigung von Trockenplatten, die immer lichtempfindlicher wurden und der Momentaufnahme den Weg ebneten. In der weiteren Folge gipfelte der Prozess der weiteren Entwicklung der Fotografie letztendlich Ende des 19. Jahrhunderts in der Erfindung des Films.
Alle technischen Mittel dienen letztendlich dem fotografischen Bild als Ziel. Die Kamera ist nur ein Handwerkszeug, so wie Hammer und Meißel bei einem Bildhauer. Je perfekter das Handwerkszeug, die Kamera ist, umso besser kann man sich auf das fotografische Ergebnis, das Bild konzentrieren.

In diesem Beitrag soll die, auf chemische Prozesse beruhende, Entwicklung des fotografischen Aufnahmematerials behandelt werden. Diese Entwicklung vollzog sich allgemein für die Fotografie. Hier soll diese jedoch speziell aus Sicht der Stereofotografie dargestellt werden.

1. Erfindung und Entwicklung der Fotoplatte

Seit der Erfindung der Fotografie dienten Platten als Schichtträger. Bei der Daguerreotypie (Abb. 1) wurden Silber- bzw. versilberte Kupferplatten verwendet. Eine Ausnahme ist die Talbotypie oder
   Abb. 1: Deutscher Photograph um 1855 - Stereo-Daguerreotypien (Wikimedia)
auch Kalotypie genannt. Bei dieser diente Papier, das transparent gemacht wurde, als Schichtträger. Handelte es sich bei der Daguerreotypie um Unikate, die nicht vervielfältigt werden konnten, so war die Talbotypie ein Nagativ-Positiv-Prozess. Von einem Negativ konnten beliebig viele Positive hergestellt werden. Dieses Verfahren hat sich aber nicht weiter verbreitet, da Henry Fox Talbot, der Erfinder des Verfahrens, dieses patentieren ließ.
 Abb. 2: Wanderfotograf um 1850
Die Entwicklung ging aber weiter und Frederick Scott Archer erfand ein Nagativ-Positiv-Prozess, bei dem Glasplatten als Schichtträger dienten. Die lichtempfindliche Emulsion, die auf die Glasplatten aufgetragen wurden, mussten vor und nach der Aufnahme im noch nassen Zustand verarbeitet werden. Daher wurde dieses Verfahren Nasses Kollodiumverfahren genannt. Abbildung 2 zeigt einen Wanderfotografen um 1850. Die Belichtungszeit, die bei einer Daguerreotypie anfangs noch mehrere Stunden und später einige Minuten betrug, konnte bei dem nasses Kollodiumverfahren wesentlich verkürzt werden. Die Verkürzung der Belichtungszeit wurde aber auch durch verbesserte Technologien bei der Objektivherstellung erreicht. Ein weiterer bedeutender Fortschritt wurde 1871 durch Richard Leach Maddox mit Erfindung der Trockenplatte erreicht. In der Stereoskopie hielten sich diese Platten bis in die 1930er Jahre.

2. Farbplatten

Aufgrund der Natürlichkeit von Raumbildaufnahmen waren schon frühzeitig Bestrebungen vorhanden, Stereoskopbilder in natürlichen Farben herstellen zu können. Daher wurden bereits Stereodaguerreotypien koloriert. Man kann sich sicher vorstellen, dass dies nicht einfach war, da bereits kleinste Unterschiede in den beiden Halbbildern sich störend bemerkbar machen.
 Abb. 3: Ives - Photochromoscop (Internet)
Der schottische Physiker Clerk James Maxwell gilt als Erfinder der Farbfotografie. Bereite 1855 gelang es ihm Farbbilder aufzunehmen und zu projizieren. Dazu machte er auf schwarz-weiß Fotoplatten drei Aufnahmen, wobei er bei jeder Aufnahme vor dem Objektiv jeweils einen roten, einen gelben oder einen blauen Filter verwendete. Von den drei Platten wurde jeweils ein positives Dia hergestellt. Diese steckte er in Projektoren, vor deren Objektiv sich jeweils wieder der entsprechende Farbfilter befand. Übereinander projiziert war auf der Bildwand ein Farbbild zu sehen.
Entsprechende farbfotografische Verfahren wurden parallel von Louis Ducos du Hauron und Charles Cros seit etwa 1862 entwickelt und 1868 gleichzeitig präsentiert.
Einige wesentliche Verbesserungen dieses Verfahrens sind dem US-amerikanischen Fotograf und Erfinder Frederic Eugene Ives gelungen. Am 18. Dezember 1894 meldete er in den Vereinigten Staaten ein Patent für ein Photochromoskop und eine Photochromoskopkamera an. Später ließ er diese auch in anderen Staaten patentieren. Sowohl das Photochromoskop als auch die Photochromoskopkamera entwickelte er für Flachbilder und auch für stereoskopische Aufnahmen (Abb. 3).
Eine andere auf Interferenz beruhende Methode entwickelte Gabriel Lippmann, die er 1891 unter der Bezeichnung „Methode der Photographie in Farbe mittels Interferenzmethode“ veröffentlichte. Für diese Entdeckung erhielt Lippmann 1908 den Nobelpreis.
Unter den vielen Versuchen Stereoskopbilder in natürlichen Farben zu erhalten, waren die Kornrasterplatten nach Lumière, die eine industrielle Herstellung ermöglichte, sowie das Kolorieren fürs Kaiserpanorama am erfolgreichsten.

2.1. Kornrasterplatten nach Lumière

1907 wurde die von den Brüder Auguste (1862–1954) und Louis (1864–1948) Lumière erfundene autochrome Kornrasterplatte in Frankreich eingeführt. Es war das erste wirtschaftliche Verfahren und somit für die breite Masse verfügbar.
   Abb. 4: Kornrasterplate
 Abb. 5: Kornrasterplate (Ausschnitt aus Abb. 4)
Beim Autochrome-Verfahren wurden die Glasplatten mit eingefärbten Stärkekörnchen in den Farben rot, grün und blau beschichtet. Im Unterschied zu schwarz-weiß Platten wurde bei der Autochrompatte durch das Glas hindurch belichtet. Die lichtempfindliche Schicht befand sich auf der vom Objektiv abgewandten Seite. Diese Platten wurden natürlich alsbald auch in der Stereofotografie eingeführt (Abb. 4). Somit wurde es möglich, Raumbildaufnahmen in natürlichen Farben mit relativ einfacher Technik aufnehmen zu können. Nachteilig war die geringe Empfindlichkeit der Platten und die damit verbundenen recht langen Belichtungszeiten. Ebenfalls nachteilig war auch, dass diese Platten verfahrensbedingt recht dunkel und grobkörnig waren. Abbildung 5 zeigt eine starke Vergrößerung aus Abbildung 4. Zur Betrachtung im Stereoskop benötigte man daher eine starke Lichtquelle. Die Kornrasterplatten waren Positivplatten und somit Unikate.

2.2. Kolorieren fürs Kaiserpanorama

Das Kaiser-Panorama war ein populäres Massenmedium von Ende des 19. Jahrhunderts bis zur Verbreitung des Kinofilms in den 1920er Jahren. Nach dem 1. Weltkrieg wurde es in Weltpanorama umbenannt. August Fuhrmann (1844–1925) hatte es entwickelt und dessen Verbreitung vorangetrieben.
   Abb. 6: Kaiser-Panorama Glasstereo (Vorderseite)
 Abb. 7: Kaiser-Panorama Glasstereo (Rückseite)
Ein Kaiser-Panorama Glasstereobild besteht aus drei verschiedenen Gläsern, und zwar aus dem vorderen Deckglas, dem Glasdiapositiv und der hinteren kolorierten Mattscheibe. Da es zu dieser Zeit noch keine Farbfotografie gab, wurden die Farben in mühevoller Kleinarbeit mit dem Pinsel unter einer Lupe aufgetragen. Als Farben wurden überwiegend Eiweißlasuren verwendet. Das Kolorieren musste recht präzise und mit gutem Geschmack und Farbensinn ausgeführt werden. Für diese Arbeiten suchte Fuhrmann besonders tüchtige Maler aus. Seine Glasstereos bestechen daher durch eine außergewöhnlich gute Farbqualität.
Abgebildet (Abb. 6) ist ein handkoloriertes Stereoglasdia 8,5 x 17 cm mit dem Motiv: "Panorama mit Felsenszenerie". Die dargestellte Ombla ist ein Fluss in Kroatien im Süden Dalmatiens. Abbildung 7 zeigt die Rückseite der Platte.

3. Plattenformate

Wurden in der Anfangszeit der Fotografie mit recht großen Plattenformaten gearbeitet, da die Positive meist im Kontakt hergestellt wurden, so waren die Plattenformate in der
 Abb. 8: Brewster-Stereokamera
Stereofotografie durch den gegebenen menschlichen Augenabstand begrenzt. Da in den Anfangsjahren der Stereofotografie vorwiegend mit einer gewöhnlichen Kamera in Verschiebetechnik gearbeitet wurde, hätte man zwar größere Formate verwenden können, aber für die Betrachtung im Stereoskop müsste man diese wieder verkleinern. Eine Ausnahme wäre die Betrachtung in einen Spiegelstereoskop, wie es Wheatstone vorgestellt hatte, gewesen.
1849 konstruierte David Brewster die erste Stereokamera mit zwei Objektiven für das stereoskopische Großformat 9 x 18 cm (Abb. 8). Dieses Format wurde auch in den Stereobetrachtern der damaligen Zeit verwendet. Für Stereobetrachter war dieses Format, besonders in den USA bis Mitte des 20. Jahrhunderts allgemein üblich.
Anfang der 1900er Jahre ging auch in der Stereoskopie der Trend zu kleineren Formaten, sodass die Formate 4,5 x 10,7 cm, 6 x 13 cm und 8,5 x 11,5 cm allgemeine Verbreitung fanden.
 Abb. 9: Stereoplatten
Das Format 8,5 x 11,5 cm kam insbesondere bei der Stereo-Indupor Gesellschaft zur Verwendung, die ein komplettes Stereo-System für Aufnahme und Wiedergabe vertrieb. Da die Standardisierung noch nicht so stark verbreitet war, kam es auch zur Verwendung anderer Plattenformate. Abbildung 9 zeigt eine Reihe von Stereoplatten mit Verkaufsschachtel.

4. In der Dunkelkammer

Die Tätigkeiten in der Dunkelkammer wurden in erster Linie vom technischen Fortschritt der Aufnahmematerialien geprägt. In den ersten Jahren waren diese Tätigkeiten nicht immer ungefährlich. So kam z.B. für die Entwicklung von Daguerreotypien Quecksilber zum Einsatz, ohne dass ausreichende Erkenntnisse über die Gefährlichkeit vorhanden waren. Beim nassen Kalodium-Verfahren musste bei Landschaftsaufnahmen die Dukelkammerarbeit in der Natur stattfinden (Abb. 10). Zu diesem Zwecke mussten die ganzen Utensilien mitgeschleppt
 Abb. 10: Arbeit mit dem Nasses Kollodiumverfahren in der Landschaft (Wikipedia)
werden. In einem mitgeführten Dunkelkammerzelt wurden die Platten unmittelbar vor der Aufnahme begossen und unmittelbar nach der Aufnahme im Zelt entwickelt. Erst nach dem gründlichen Wässern und Trocknen konnten die fertigen Platten verstaut werden.
Da hatten es die Atelierfotografen leichter. Deren Dunkelkammer befand sich unmittelbar neben dem Atelier. Mit der Erfindung der Trockenplatte wurde die Arbeit für die Fotografen einfacher. Insbesondere für die Landschaftsfotografen war es eine wesentliche Erleichterung.
Die Platten konnten nun auf Vorrat hergestellt werden und die Landschaftsfotografen konnten die belichteten Platten nach ihrer Rückkehr im heimischen Labor entwickeln. An dieser Stelle muss aber bemerkt werden, dass es eine reine Trennung zwischen Landschaftsfotograf und Atelierfotograf nicht gab. Viele Atelierfotografen fotografierten auch in der Landschaft.
Die Trockenplatten konnten industriell hergestellt werden und der Fotograf kaufte die fertigen Platten. Ein neuer Industriezweig entstand. Entwickelt wurden die Platten aber weiterhin im eigenen Labor. Dabei gab es für die Stereofotografen eine Besonderheit. In jeder Kamera wird das Bild kopfstehend auf die Fotoplatte projiziert und belichtet dort die Platte. Bei der Flachbildfotografie ist dies kein Problem. Man braucht die Platte nach der Entwicklung nur um 180° zu drehen und schon hat man ein aufrecht stehendes Bild. In der Stereokamera wird jedoch das rechte Halbbild kopfstehend auf der rechten Seite belichtet und das linke Halbbild kopfstehend auf der linken Seite der Platte. Dreht man nun die entwickelte Platte um 180°, so befindet sich das rechte Halbbild aufrecht stehend auf der linken Seite der Platte und das linke Halbbild befindet sich aufrecht stehend auf der rechten Seite. Würde man dieses Bild im Stereoskop betrachten, so würde man ein pseudoskopisches Raumbild wahrnehmen. Die Halbbilder müssen also nach der Entwicklung noch vertauscht werden. Dazu gab es zwei Möglichkeiten, abhängig davon, ob es sich um Negative oder Umkehrplatten handelte.
 Abb. 11: Kopierrahmen - geschlossen
 Abb. 12: Kopierrahmen - offen
Bei Umkehrplatten wurden diese zerschnitten, vertauscht und mit der Schichtseite auf eine andere Glasplatte gelegt. Diese wurden mit einem Klebeband ringsherum verklebt. Somit konnten die Platten richtig im Stereoskop betrachtet werden.
Beim Negativ-Positiv-Prozess wurde die Positivplatte im Kontaktverfahren belichtet. Die beiden Halbbilder wurden nacheinander belichtet und mussten zwischen den Belichtungen so gegeneinander verschoben werden, dass jedes Halbbild auf der richtigen Stelle zu liegen kam. Damit dies alles mit ausreichender Genauigkeit ausgeführt werden konnte, gab es spezielle Stereokopierrahmen. Abbildung 11 zeigt einen geschlossenen Stereokopierahmen und Abbildung 12 zeigt diesen im geöffneten Zustand. Die ganze Prozedur musste natürlich im Dunklen durchgeführt werden. Meist wurden zum Schluss die fertigen Positive ebenfalls mit der Schichtseite auf eine andere Glasplatte gelegt und mit Klebeband verschlossen.
Eine weiter wichtige Tätigkeit in der Dunkelkammer war die Befüllung der Kassetten mit neuen Platten. Die Platten konnte man lichtdicht verschlossen in Pappschachteln beim Fotohändler kaufen. Es gab eine recht große Anzahl an Herstellern von Fotoplatten. Die Platten gab es in verschiedenen Empfindlichkeiten und Formaten. Es gab Negativ-, Positiv- und Umkehrplatten.
In der Dunkelkammer wurde je eine Platte in eine Plattenkassette eingesetzt und mit einem Schieber lichtdicht verschlossen. Es gab auch Doppelkassetten, bei denen auf der Vorder- und Rückseite eine Platte eingesetzt werden konnte. Weiterhin gab es auch Plattenmagazine, wo meist 12 Platten eingesetzt wurden.

5. Vor- und Nachteile von Fotoplatten

Der größte Vorteil von Fotoplatten ist ihre Formstabilität und Ebenheit. Daher kamen Fotoplatte auch zu einer Zeit, als der Film bereits das allgemeine Fotomaterial war, in der Astrofotografie und Photogrammetrie uneingeschränkt zum Einsatz. Auch sind Fotoplatten widerstandsfähiger gegen Umwelteinflüsse.
Der größte Nachteil von Fotoplatten ist ihr hohes Gewicht und ihre Zerbrechlichkeit.

6. Kameratechnik für Fotoplatten

In den ersten Jahren der Stereofotografie wurden die beiden Halbbilder mit einer Ein-Objektiv-Kamera aufgenommen. Dabei musste die Kamera für die zweite Aufnahme leicht in horizontaler Richtung verschoben werden. Um eine größere Plastizität zu erhalten, wurde diese Verschiebung oft übertrieben. Bei nahen Objekten, wie einer Plastik, wurde meist die optische Achse zum Aufnahmeobjekt gedreht (Abb. 13). Daher waren diese Bilder oft schwer zu einem Raumeindruck zu verschmelzen. In zeitgenössischer Fachliteratur dieser Zeit wurde diese Unzulänglichkeit auch kritisiert.
 Abb. 13: Frühe Aufnahmrtechnik
Erst als David Brewster 1849 die erste Stereokamera konstruierte, änderte sich dieser Missstand.
Stellvertretend für eine frühe Kamera soll hier die LECHNER Stereokamera (Abb. 14) kurz vorgestellt werden. Es ist eine Reisekamera aus Holz, die etwa um 1900 gebaut wurde. Holz war das bevorzugt verwendete Material für den Kamerabau in dieser Zeit. Es war ausreichend verfügbar und ließ sich mit hoher Präzision verarbeiten. Für anspruchsvolle Apparate wurden hochwertige Hölzer wie z.B. amerikanischer Nussbaum, Mahagoni oder Teak nach einer Lagerungszeit von mehreren Jahren verwendet. Vom Kameratischler musste sicherstellt werden, dass sich die Einzelteile der Kamera nachträglich nicht mehr verziehen konnten. Der Begriff Reisekamera ist als Abgrenzung zu den noch größeren und schwereren Atelierkameras zu verstehen. An der abgebildeten Kamera befindet sich ein kleines Schild: R. Lechner (W. Müller) K. & K. Hof-Manufaktur f. Fotografie 31. Graben Wien.
 Abb. 14: Lechner-Stereokamera
In den späteren Jahren setzte sich immer mehr Metall im Kamerabau durch. Die Kameras wurden kleiner, erhielten immer mehr Präzisionsmechanik und wurden handlicher und leichter. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kamen auch Kunststoffe im Kamerabau zum Einsatz.
Das Fotografieren mit einer Plattenkamera gestaltete sich wie folgt: Die Kamera wurde auf ein Stativ gesetzt. Am hinteren Teil der Kamera wurde eine Mattscheibe angesetzt und die Verschlüsse wurden geöffnet. Auf der Mattscheibe wurde der Bildausschnitt und die Schärfe eingestellt und die Verschlüsse wurden wieder geschlossen. Danach wurde die Mattscheibe mit der Plattenkassette ausgetauscht und der Kassettenschieber herausgezogen. Nach dem Einstellen der entsprechenden Blende und Verschlusszeit, konnte die Aufnahme gemacht werden. Das Einstellen der richtigen Belichtung war in erster Linie Erfahrung der Fotografen. Mit den Jahren gab es aber immer bessere Hilfsmittel zur Belichtungsmessung. Mit einer an der Kamera befindlichen Suchereinrichtung waren auch Freihandaufnahmen ohne Stativ möglich.
Wie schon erwähnt gab es einfache und doppelte Plattenkassetten sowie Plattenmagazine.
 Abb. 15: Ica-Polyscop mit Plattenmagazin
Die Plattenmagazine wurden wie die Plattenkassetten auch an die Kamera angesetzt. Für die Aufnahmebereitschaft wurde ebenfalls ein Plattenschieber gezogen. Für weitere Aufnahmen konnte jedoch die Kassette an der Kamera bleiben. Es musste lediglich ein anderer Schieber heraus und wieder eingeschoben werden. Durch diese Bewegung wurde die vorderste belichtete Platte nach hinten bewegt und die nächste Platte im Plattenstapel der Kassette befand sich nun in Aufnahmeposition. Dieser Vorgang konnte, bis alle Platten belichtet waren, wiederholt werden. Plattenkassetten waren allerdings auch wesentlich schwerer. Abbildung 15 zeigt eine Stereokamera mit Plattenmagazin.
Um das Zerschneiden der Platten oder über Kreuz kopieren, wie im Abschnitt „In der Dunkelkammer“ beschrieben, zu umgehen, wurden eine Reihe Deutscher Reichspatente angemeldet. Mit verschiedenen Spiegelsystemen in oder auch vor der Kamera sollten die optischen Strahlengänge so über Kreuz geleitet werden, dass die Halbbilder seitenrichtig auf die Fotoplatte gelangen. Es ist nicht bekannt, dass jemals ein solches Patent zur Umsetzung kam. Der konstruktive Aufwand stand wohl in keinem Verhältnis zum Nutzen und die erforderlichen Arbeiten in der Dunkelkammer waren wohl der kleinere Aufwand. Die Kameras wären sicher schwerer, unhandlicher, störanfälliger und teurer geworden. Auch Lichtverlust und die Entstehung von Doppelbildern wären wohl nicht zu vermeiden gewesen.
Weiterhin gab es Kamerakonstruktionen, mit denen sowohl Stereo- als auch Panoramaaufnahmen gemacht werden konnten.

7. Planfilm – eine Zwischenlösung

Beim Übergang von der Platte zum Film kann der Planfilm als eine Zwischenlösung angesehen werden. Einerseits blieb die Handhabung der Platte erhalten, andererseits hatte der Planfilm positive Eigenschaften des Films aufzuweisen. In erster Linie war dies das Gewicht, das wesentlich geringer war. Nachteilig war jedoch die fehlende Formstabilität gegenüber der Fotoplatte. Deswegen waren auch spezielle Planfilmkassetten erforderlich, die Plattenkassetten konnten nicht verwendet werden.
Planfilme wurden genauso wie Fotoplatten in lichtdicht verpacken Pappschachteln im Fotohandel angeboten. Für die Stereofotografie wurden in erster Linie Planfilme in den Formaten 6 x 13 cm und 4,5 x 10,7 cm angeboten.
Hergestellt wurden die Planfilme aus Zelluloid. Der Brite Alexander Parkes hatte 1855 das Zelluloid erfunden und unter dem Markennamen Parkesine patentiert, er konnte jedoch keine stabile Gebrauchsqualität gewährleisten. John Wesley Hyatt hatte nach einem preiswerten Ersatzmaterial für das Elfenbein von Billardkugeln gesucht und hatte 1878 Parkes das Patent für Parkesine abgekauft. Er hat einen Prozess entwickelt, bei dem Hitze und Druck die Herstellung der Parkesine vereinfachten. Der Name Zelluloid entstand aus der 1870 registrierten Handelsmarke „Celluloïd“ der Celluloid Manufacturing Company.
John Carbutt in Philadelphia hobelte 1888 Planfilme von Zelluloid-Blöcken, die er fotografisch beschichtete. Ein entscheidender Vorteil bei der Einführung des Planfilms war, dass die allgemein verbreiteten Plattenkameras weiter verwendet werden konnten. Der Planfilm kam ebenfalls in Kassetten und konnte auch in Magazinen verwendet werden.

8. Erfindung und Entwicklung des Films

Leon Warnecke, der eigentlich Władysław Małachowski hieß, erfand bereits 1875 den ersten Rollfilm mit Negativpapier. Am Anfang funktionierte sein Film auf Kollodium-Basis und später anhand des trockenen Gelatineverfahrens.
Den biegsamen, farblosen und klar durchsichtigen Zelluloid-Film hatte 1887 der Geistliche Hannibal Goodwin erfunden und patentieren lassen.
George Eastman stellte um 1890 einen beschichteten Rollfilm auf Basis des von John Wesley Hyatt entwickelten Celluloïds vor, den sogenannten American Film, ohne dabei die Patentrechte von Hannibal Goodwin zu beachten. Eastmans American Film ist eine Weiterentwicklung des Stripping-Films von 1884, einem Papierfilm. Es folgte ein Rechtsstreit zwischen Goodwin und Eastman, der sich bis 1898 hinzog. In der Zwischenzeit baute Eastman Kodak sein fotografisches Imperium auf. Am Ende des langjährigen Prioritätsstreits wurde Goodwin, zwei Jahre nach seinem Tod, das US-Patent 610'861 am 13. September 1898 als zu Recht bestehend zuerkannt. Die Eastman-Kodak-Gesellschaft musste an Goodwins Erben eine Entschädigung in Millionenhöhe zahlen.
Dennoch muss klar herausgestellt werden, dass Kodak den mit Abstand größten Anteil an der Entwickelt des Films hatte.
Die für Zelluloid-Film verwendeten Filmträger auf Nitratbasis stellen eine akute Gefahr für Fotosammlungen und historische Filmarchive dar. Nitrozellulose wird mit Schwefel- und Salpetersäure aus Baumwollresten hergestellt. Dieses hochbrisante Gemenge ist nichts anderes als Schießbaumwolle und verfügt über eine höhere Sprengkraft als Schwarzpulver. Zelluloid-Filme gab es bis in die 1950er Jahre, wurden aber schon seit Anfang das 20. Jahrhunderts vom sogenannten Sicherheitsfilm oder Acetatfilm abgelöst. Problematisch ist beim Zelluloid-Film auch das natürliche Altern, das nicht nur die Fotoemulsion betraf, sondern auch den Träger.
 Abb. 16: Rollfilmspulen und Filme
Es wurde eine ganze Reihe verschiedener Rollfilm-Konfektionierungen entwickelt. Kodak schuf ein Nummernsystem für die verschiedenen Filme und erreichte somit eine gewisse Standardisierung. In Deutschland wurde ein eigenes Nummernsystem entwickelt, dass aber bald aufgegeben wurde, da sich das System von Kodak international durchsetzte. Am weitesten verbreitet war der 6 cm breite Rollfilm 120. Der Film war auf eine Holzspule mit metallenen Flanschen, später waren die Spulen komplett aus Kunststoff, gewickelt. Der Film war an eine Papierrolle geheftet und auf die Spule gewickelt. Rückseitig waren auf der Papierrolle Nummern für den Filmtransport aufgedruckt. An der Rückseite der Rollfilmkameras befand sich ein kleines, meist rotes Fenster, in dem man die entsprechende Filmnummer beim Filmtransport ablesen konnte. Die Papierrolle schützte den eigentlichen Film vor Fremdlichteinfall. Für Flachbilder passten auf einen Film 12 Aufnahmen im 6 x 6 cm Format. Bei Stereoaufnahmen gingen auf einem Film 6 Stereofotos für das Stereoformat 6 x 13 cm. Filmspulen waren im Allgemeinen so beschaffen, dass die Filme bei Tageslicht gewechselt werden konnten. Abbildung 16 zeigt eine Reihe an Rollfilmspulen und Filme.
 Abb. 17: KB-Filme
Von großer Bedeutung war die Verwendung des 1895 von Thomas Edison für seine Filmkameras und -projektoren entwickelten perforierten Kinefilm in der Fotografie. Obwohl hier die Materialausnutzung aufgrund der recht großen Perforation recht ungünstig war, hat dieser Filmtyp sich über 100 Jahre bis zur Ablösung durch die Digitalfotografie als meistverwendetes Filmmaterial gehalten. Abbildung 17 zeigt einen winzigen Teil der vielen verschiedenen Kleinbildfilme. In den 1950er Jahren kamen eine ganze Reihe an Stereokameras für diesen Film auf den Markt.
Die gebräuchlichsten Halbbildformate waren 24 x 30 mm (französisches oder Belca-Format) und 24 x 23 mm (amerikanisches Realist-Format). Gerahmt wurden die Bilder in standardisierte Stereo-Rähmchen mit den Außenabmessungen 41 x 101 mm. Eine gewisse Sonderstellung nimmt das View-Master-Format ein. Die Halbbilder haben das Format 10,5 x 11,75 mm. Diese wurden mit einer speziellen, zur Kamera gehörenden Stanze aus dem Kleinbildfilm oder auch aus 16 mm Film gestanzt und kamen in spezielle Scheiben (Abb. 18). Die Scheiben konnten sieben Stereobilder aufnehmen und mit einem speziellen View-Master Betrachter angesehen werden (Abb. 19).
 Abb. 18: View-Master Scheibe


9. Auch der Film wurde farbig

Auch für den Film gab es schon frühzeitig Versuche, diesen farbig zu machen. Jedoch konnte sich keines der vielen Verfahren bis Mitte der 1930er Jahre wirklich durchsetzen. Den Durchbruch bei der Entwicklung eines Farbfilms gelang im April 1935 der Agfa in Wolfen mit der Anmeldung des Patentes für seinen „Agfacolor Neu Farbumkehrfilm“. Nur drei Tage später brachte Konkurrent Kodak seinen „Kodachrome“ auf den Markt.
 Abb. 19: View-Master Betrachter Modell A mit Scheiben
Für den Stereoskopiker war diese Entwicklung besonders bedeutungsvoll, da er mit den Raumbildern schon immer eine große Natürlichkeit anstrebte. Farbige Raumbilder waren die Vollendung. So war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis ins 21. Jahrhundert hinein der farbige Kleinbild-Diafilm das am meisten verwendete Filmmaterial für den Stereoskopiker.

10. Kameratechnik für Film

Mit dem Aufkommen des Films in der Fototechnik kam es auch zum Bau von Stereokameras in großer Vielfalt. Ab Ende des 19. Jahrhunderts gab es Kameras für den Rollfilm. Um den Umstieg für Besitzer von Plattenkameras zu erleichtern kamen für diese Kameras Filmrückteile auf den Markt. Es gab auch findige Bastler, die sich selbst Rollfilmrückteile für ihre Stereo-Plattenkamera bauten. Mit der Verbreitung des Kleinbildfilms kamen seit Ende der 1940er Jahre eine ganze Menge an Stereo-Kleinbildkameras auf den Markt.

10.1. Kameras mit Filmrückteil

Der Übergang von der Platte zum Film lässt sich sehr gut anhand der Stereokameras von Rollei darstellen. Im Jahre 1920 wurde durch Paul Franke und Reinhold Heidecke die „Werkstatt für Feinmechanik und Optik - Franke und Heidecke“ in Braunschweig eigens für den Bau von Stereokameras gegründet. Waren die Stereokameras „Heidoscop“ und „Rolleidoscop“ auch technische Meisterleistungen, so war der Absatz dieser Kameras nicht groß genug, um einen rentablen Fertigungsbetrieb aufrechtzuerhalten. Aus der Möglichkeit, mit einer Stereokamera, wenn man ein Objektiv bei der Aufnahme abdeckt, auch Flachbilder aufnehmen zu können, ist die Idee der zweiäugigen Spiegelreflex, welche als Rolleiflex und Rolleicord ihren Siegeszug in der ganzen Welt antrat, entstanden.
 Abb. 20: Heidoscop mit Rollfilmansatz (Internet)
1920, zur Gründung der Firma, kam das Heidoscop, eine Spiegelreflex-Stereokamera für Platten im Format 6 x 13 cm auf den Markt. Es gab auch ein Heidoscop für Platten im Format 4,5 x 10,7 cm.
Reinhold Heidecke, der Konstrukteur der Kamera, hatte schon zu dieser Zeit die Idee eine Stereokamera für den Rollfilm 120 zu bauen. 1926 konnte eine solche Kamera mit dem Namen Rolleidoscoop in die Fertigung gehen. Ab 1927 wurde auch ein Rolleidoscop für Rollfilme 127 für das Format 4,5 x 10,7 cm (Halbbilder 40 x 40 mm) gefertigt. Um auch Besitzern eines Heidoscops die Möglichkeit zu geben, mit Rollfilm, der sich zu dieser Zeit immer mehr durchsetzte, zu fotografieren, produzierte die Firma zwischen 1929 und 1938 einen Rollfilmansatz für das Heidoscop. Somit konnten neben den Fotoplatten auch Rollfilme 120 mit dem Heidoscop belichtet werden. In Abbildung 20 ist ein Heidoscop mit Rollfilmansatz dargestellt und in Abbildung 21 ist ein solcher Rollfilmansatz zu sehen.
 Abb. 21: Rollfilmansatz für das Heidoscop (Internet)


10.2. Kameras für den Rollfilm

Normalerweise läuft ein Rollfilm horizontal und eben an der Filmbühne vorbei, sodass die Halbbilder nebeneinander und kopfstehend auf dem Film belichtet werden. Damit die Halbbilder richtig gerahmt werden konnten, mussten diese zerschnitten und aufrecht stehend vertauscht montiert werden.
 Abb. 22: Devaux & Deloye – Kamera_hinten_geöffnet (Prof. Dr. Wernen Weiser)
 Abb. 23: Skizze der Filmführung
Negativfilme mussten vertauscht kopiert werden. Die Firma Devaux & Deloye in Paris hat ca. 1905 eine Kamera gebaut, bei der dies vermieden wurde. Die Besonderheit an dieser Kamera war, dass der Film so über Rollen geführt wurde, dass er in der Mitte der Kamera parallel zu den Objektivachsen stand. Durch zwei Prismen wurde der Strahlengang um 90° auf den Film gelenkt. Der Vorteil dieser Konstruktion war, dass die beiden Halbbilder nach der Entwicklung des Films aufrecht stehend und seitenrichtig angeordnet waren. Somit konnte das Stereobild, ohne zerschnitten zu werden, im Stereoskop betrachtet werden. Abbildung 22 zeigt einen Blick in die geöffnete Kamera und in Abbildung 23 ist der innere Aufbau der Kamera zu sehen.
Stellvertretend für die Stereokameras für Rollfilm wird in den Abbildungen 24 und 25 die Stereokamera Blair Weno gezeigt. Es ist eine Laufbodenkamera aus lederbezogenen Edelholz mit rotem Lederbalgen und Messingteilen.
 Abb. 24: Blair-Kamera (von vorn)
 Abb. 25: Blair-Kamera (von hinten)
Die Abbildung 26 zeigt die Stereokamera ISO Duplex 120, die von der 1945 gegründeten italienischen Firma Scientific Industry Optics S.R.L. (ISO) in Mailand hergestellt wurde. Die Kamera wurde ab 1956 gebaut. Der Film läuft vertikal in der Kamera mit der Vorratsspule unten. Auf einen 120er Rollfilm passen 26 Stereopaare im quadratischen Format 24x23 mm. Die Stereobasis der Kamera beträgt 31 mm.
 Abb. 26: ISO Duplex 120
Diese Kamera war jedoch nicht die erste Stereokamera mit vertikalem Filmlauf. Bereits 1899 wurde von der Firma Max Balbreck in Paris eine Stereokamera hergestellt, die bereits diese Eigenschaften aufwies (Abb. 27). Als Aufnahmematerial kommt der von Kodak 1895 eingeführte 9x9-Rollfilm 101 zum Einsatz. Die beiden Halbbilder haben die Nenngröße 45x45 mm. Die Objektivbasis beträgt 45 mm. Abbildung 28 zeigt einen Blick in die geöffnete Kamera.
 Abb. 27: Balbreck Stereo (Prof. Dr. Wernen Weiser)
 Abb. 28: Geöffnete Balbreck Kamera (Prof. Dr. Wernen Weiser)


10.3. Kameras für den Kleinbildfilm (Kine-Film)

Oft liest man, dass die Leica die erste Kamera war, in der der 35 mm breite perforierte Kinefilm zur Anwendung kam. Zwar war die Leica der Firma Ernst Leitz die Kamera, die diesem Filmtyp zum großen Durchbruch verhalf, die erste Kamera mit diesem Filmtyp war sie jedoch nicht, dies war eine Stereokamera, die Homéos der Firma Jules Richard aus Frankreich (Abb. 29). Ab 1913 begann die Herstellung der Homéos. Die erste Leica, die sogenannte Urleica konstruierte Oskar Barnak 1914, aus persönlichen Beweggründen bei der Firma Ernst Leitz. Kriegsbedingt und durch die schwere Nachkriegszeit kam es erst 1924 zur Fertigung der ersten Nullserie.
 Abb. 29. Homéos (Internet)
Felix Richard gründete 1845 eine Firma zur Fertigung technischer Instrumente. Dessen zweitälteste Sohn, Jules Richard (1848-1930) ging nach seiner Schulzeit für drei Jahre bei seinem Vater in die Lehre und anschließend in eine Uhrmacherwerkstatt. In Abendkursen beschäftigte er sich nebenbei mit der neu erfundenen Kinematographie. Als sein Vater starb, übernahm er, zunächst zusammen mit seinem jüngeren Bruder Félix-Max, den ziemlich desolaten elterlichen Betrieb. Später führte Jules Richard den Betrieb allein und erweiterte die Produktion mit der Fertigung von Stereokameras, da zu dieser Zeit die Stereoskopie in Frankreich sehr beliebt war. Die Firma wurde in „Jules Richard Instruments“ umbenannt. 1921 wurde das Unternehmen eine Aktiengesellschaft.
Im Jahr 1893 reichte Jules Richard das erste Patent für sein Verascope, eine Stereokamera mit Ganzmetallgehäuse in den Formaten 6 x 13 cm und 45 x 107 mm, ein. Ab 1913 begann die Herstellung der bereits erwähnten Homéos. 1938 wurde das Verascope F40 entwickelt und von 1946 bis 1955 verkauft. Diese Stereokamera war ebenfalls ein Meilenstein in der Geschichte der Kleinbild-Stereokameras. In dieser Kamera kam erstmals das Halbbildformat 24 x 30 mm mit ungleichmäßigem Schaltschritt zur Anwendung. Im Jahr 1957 endet die Produktion von stereoskopischen Geräten bei Richard. Jules Richard war selbst ein begeisterter Stereofotograf.
Weder die Homéos noch die erste Leica verwendeten jedoch die später allgemein verbreitete Kleinbildpatrone 135. Die erste Kamera mit dieser Filmpatrone von Kodak war die Retina der Kodak AG in Stuttgart-Wangen. Diese Filmpatrone für den perforierten Kleinbildfilm war aus relativ einfachem Blech geprägt, bei der die Lichtabdichtung durch eine Samtmanschette im Filmschlitz erreicht wurde. Sie war in der Anwendung deutlich einfacher als die komplizierten Monster, die bis dato in Kameras für den 35 mm breiten Kinefilm zur Anwendung kamen. Die Beschreibungen dieser frühen Filmpatronen füllten in den Bedienungsanleitungen meist mehrere Seiten. Die neue 135er-Filmpatrone von Kodak war so ausgeklügelt, dass sie in allen Kameras der damaligen Marktführer problemlos verwendet werden konnte. Später wurde diese Filmpatrone auch aus Kunststoff gefertigt und erhielt zum Schluss noch Markierungen für die Vermittlung der Empfindlichkeitswerte an die Kamera.
Die Abbildung 30 zeigt die im Belca-Werk in Dresden und ab 1954 gefertigte Stereokamera Belplasca stellvertretend für die vielen Kleinbild-Stereokameras, die Ende der 1940er und in den 1950er Jahren auf den Markt kamen.
Eine gewisse Sonderstellung nehmen wieder die Stereokameras für das View-Master Format ein, die Mitte des 20. Jahrhunderts auf den Markt kamen. Es gab Kameras, die ebenfalls die 135er-Filmpatrone verwendeten. Der Film lief entweder horizontal zweimal durch die Kamera (hin und zurück), wobei das optische System zwischendurch in der Höhe verschoben wurde oder schräg durch die Kamera. Weiterhin gab es auch View-Master-Kameras, die einen 16 mm breiten Film verwendeten.

 Abb. 30: Belplasca Stereokamera mit Nahvorsatz

11. Vor- und Nachteile des Films

Die Einführung des Films brachte wesentliche Erleichterungen für den Fotografen. An erster Stelle muss wohl die Gewichtsreduzierung genannt werden. Wenn es im Studio vielleicht nicht so bedeutungsvoll war, so erleichterte es die Arbeit des Landschaftsfotografen beträchtlich. Wollte man eine größere Anzahl an Aufnahmen in der Natur machen, so musste man ein nicht unerhebliches Gewicht an Platten mitschleppen. Gerade in der Amateurfotografie war die Gewichtsersparnis wesentlich für deren Verbreitung. Ein weiterer wichtiger Vorteil war, dass auf einem Film mehrere Bilder kurz hintereinander aufgenommen werden konnten. Wenn auch auf einen Rollfilm 120 nur 6 Stereobilder passten, so waren es bei dem später auf dem Markt gekommenen Kleinbildfilm 20 Aufnahmen. Ein Filmwechsel war relativ einfach und es war eine schnelle Aufnahmebereitschaft möglich.
Ein Nachteil war gerade beim Rollfilm die schlechte Planlage des Films in der Kamerabühne. Auch der Filmtransport gestaltete sich beim Rollfilm schwierig, da er keine Perforation besaß. Die Planlage und der Filmtransport beim Rollfilm hat so manchen Kamerakonstrukteur an den Rand der Verzweiflung gebracht.
Mit Einführung des perforierten Kleinbildfilms konnten die Probleme der Planlage und des Filmtransportes gelöst werden.
Nachteilig war beim Film, dass dieser immer als Ganzes entwickelt werden musste. Eine spezielle oder individuelle Entwicklung einzelner Bilder, wie bei Platten oder Planfilm, war nicht möglich. Andererseits wurde es aber auch möglich, die Filmentwicklung zu automatisieren.

12. Schlussbemerkungen

Der Film beherrschte bis ins neue Jahrtausend die Fotowelt und auch heute noch gibt es Anwender des analogen Films. Im Gegenteil, ihre Zahl ist sogar steigend und es gibt wieder eine Reihe an Filmmaterialien am Markt. Die Auswahl reicht von feinkörnigem, niedrig empfindlichen bis hochempfindlichen Film. So gibt es z.B. noch oder wieder Filmmaterial von Agfa, Fuji, Ilfort, Kodak oder Foma.
Die Bildqualität und die Tonalität des Films sind nach wie vor hervorragend und nur wenige hochwertige Digitalkameras kommen an diese Qualität. Oft wird der Film auch nur als Aufnahmematerial verwendet. Die Dias werden dann gescannt und können so digital weiter verarbeitet werden. Somit kann man die qualitativen Vorteile der Filme und die Vorteile der digitalen Nachbearbeitung gleichermaßen nutzen.
Im Allgemeinen setzten sich Digitalkameras ab den 2000er Jahren immer weiter durch. 2003 wurden zum ersten Mal insgesamt mehr digitale als analoge Kameras verkauft.

Quellennachweis

Baier, Dr. Wolfgang – Quellendarstellungen zur Geschichte der Fotografie
Pietsch, Dr. Werner - Stereofotografie
Pritschow, Karl - Die Photographische Kamera und ihr Zubehör
stereo journal der DGS, Stereo-Photographica Seiten
Weiser, Werner – Stereo Cameras Using Film
Wikipedia

Wenn nicht anders angegeben stammen die Fotos vom Verfasser.


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